2022-04-24 14:49:08 +05:30

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Ein Großschwert wurde dafür genommen, das aus der Wirbelsäule eines großen Seeungeheuers geschnitzt wurde, wobei jedes Knochensegment eine Geschichte zu erzählen hat.
In der Vergangenheit benutzten die Seeleute die Knochen solcher Ungeheuer als Galionsfiguren
und mit ihnen erschreckten sie die Bestien, die in der Tiefsee wohnten und die Landbewohner plagten.
In den stürmischen Ozeanen der alten Zeit wurden die, die aufs Meer hinausfuhren, oft nie wiedergesehen.
Die unbekümmerten Seemannslieder von heute waren in längst vergangenen Tagen eigentlich Abschiedslieder, die die Menschen in traurigem Schweigen zurückließen.
Damals gab es einen Großschwert schwingenden Kapitän, der vor einer Reise gerne ein paar Becher trank, um sich in fröhliche Stimmung zu versetzen. Wenn man ihn fragte, lachte er und sagte:
„Ich kenne mich und meine Grenzen, ich kann so viel Wein kaufen, wie ich will. Mach dir keine Sorgen. Sobald das Meer und die Winde günstig stehen ...“
Diese Aussage beendete er aber niemals. Er würde nur seine Tasse anheben und alle Anwesenden auffordern, noch etwas mehr zu trinken.
Dann kam endlich der Tag, an dem das Meer und die Winde zusammentrafen, und das Heck des großen Schiffes ritt darauf wie nie zuvor.
Tief in das neblige Meer segelte es, weit über die sich verdunkelnden Wellen hinweg, in den Ozean, in dem es vor Ungetümen nur so wimmelte.
Und schließlich würden weder der singende Kapitän noch sein Schiff jemals in den von Bergen umgebenen Hafen zurückkehren.
Nach vielen Tagen wurde der leblose Körper eines Meeresungeheuers aus der Tiefe von den Wellen ans Ufer gespült.
Strahlend weiße Knochen strahlten aus einer großen, von einem Großschwert eingerissenen Wunde heraus. Das Blut war längst vom Meer herausgewaschen worden.
„Wenn das Meer und die Winde günstig stehen, werde ich aufs Meer hinausfahren und sie rächen, o Jungfrau, vertieft in den Gesang der Gezeiten ...“
„Was schert es mich, wenn ich bei den Fischen schlafen muss? Auf diese Weise werde ich meine Seemannslieder noch weiter in die Tiefe schicken können, wo sie sich befindet.“
Heute werden die Meere nicht mehr von gigantischen Kreaturen geplagt, die plötzlich aus Stürmen auftauchen und alles auf den Wellen verwüsten.
Die Praxis, Skelette von Seeungeheuern auf den Bug von Schiffen zu montieren, ist ebenfalls mit ihrem Aussterben verloren gegangen.
Wenn man jedoch weit in die Ferne segelt, kann man manchmal immer noch den markerschütternden Klang des Donners in den Tiefen des Meeres hören ...